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Wie gemalt! Christian Röntgen und sein Jagdpferd könnten einem alten Gemälde entsprungen sein.

Herbst-Highlight: Schleppjagd auf Haus Schwarzenstein

Bläser läuten in den frühen Morgenstunden stimmungsvoll die Jagd ein. Mit lautem Gebell stürmt die Hundemeute durch den Wald, dicht gefolgt von einem Feld aus Rotröcken, das beherzt über die festen Hindernisse der Strecke springt. Wer denkt, er befindet sich gerade in England, hat weit gefehlt! Beim Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein in Hünxe wurde Anfang September traditionell die Eröffnungsjagd zelebriert.

Es liegt noch Tau auf den Feldern und Wiesen rund um Haus Schwarzenstein, als die ersten Jagdreiter frühmorgens mit ihren Pferden eintreffen. Das malerische Anwesen ist ein ehemaliger Rittersitz im Ortsteil Drevenack in Hünxe, dessen Ursprünge bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen. Eine ereignisreiche Vergangenheit und viele Besitzerwechsel sind Teil seiner Geschichte, bis das Gut 1962 von dem Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein von Familie Eichelbeg gepachtet wurde. Doch auch der Verein machte im Laufe der Zeit einige Veränderungen durch. 1932 als Rheinischer Parforcejagdverein gegründet, in dem noch Jagd auf echtes Wild gemacht wurde, wurde er im Zuge des Reichjagdgesetzes zum Schleppjagdverein umfunktioniert. Auf dem Kolkmannshof kam es 1952 in Essen zur Wiedergründung und es fanden, mit sechs aus England importierten Foxhounds, wieder erste Jagden statt. Der Umzug nach Haus Schwarzenstein katapultierte den Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein dann in eine andere Liga: Mit einem idealen Jagdgelände wurde der Fortbestand des Meutevereins gesichert und man widmete sich auf der großzügigen Anlage intensiv der Zucht von Foxhounds.

Wie gemalt! Christian Röntgen und sein Jagdpferd könnten einem alten Gemälde entsprungen sein.

Das aufgeregte Gebell der Meute, durch dessen Adern noch immer das Blut jener englischen Foxhounds fließt, hört man bis in den nahen Waldrand. Ihren feinen Nasen entgeht nichts und sie wittern die bevorstehende Jagd. Doch bei aller Vorfreude hören sie auf sein Kommando: Heiko Burchard ist schon seit 17 Jahren beim Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein als Huntsman angestellt und kümmert sich tagtäglich um die Hunde. „Momentan haben wir auf Haus Schwarzenstein 63 Foxhounds, zu gleichen Teilen Rüden und Hündinnen. Und fast alle tragen einen englischen Namen”, berichtet der Huntsman mit einem Augenzwinkern. Da er gemäß seinem Amte auf der Jagd gleich die Hundemeute anführt, trägt er schon seinen roten Rock und hat sich seine Reitkappe unter den Arm geklemmt. Das braune Samt seiner Kappe ist schon reichlich verblichen, was bei über 500 Jagden, die er bereits bestritten hat, kein Wunder ist.

Heiko Burchards Aufgaben als Huntsman sind vielfältig. Er ist für die Zucht zuständig, stellt Junghunde auf Zuchtschauen vor und bereitet sie auf die Jagd vor. „Mit zehn Monaten gewöhnen wir die Junghunde langsam an ihre Aufgaben, mit 14 Monaten laufen sie dann ihre erste Jagd mit.” Die Zuchtpläne sind bis jetzt auch immer aufgegangen: „Alle Welpen, die bei uns geboren werden, laufen später in der Meute mit. Noch nie hat sich ein Hund als untauglich erwiesen.” Verkauft werden die Meutehunde aber sowieso auf keinen Fall, das würde gegen den Ehrenkodex verstoßen. Auch wenn schon lange nicht mehr auf den lebendigen Fuchs Jagd gemacht wird, der Rheinisch-Westfälische Schleppjagdverein bleibt sich bei der Wahl seiner Rasse treu. „Der Foxhound hat eine der empfindlichsten Nasen überhaupt und ist so schnell, dass man längere Strecken im Galopp hinter der Meute her reiten kann”, erklärt der erfahrene Jagdreiter. „Da wir den Hunden zur Belohnung immer Pansen, also Rindermagen, zu fressen geben, ziehen wir eine künstliche Spur aus Pansenlösung über die gewünschte Route, die die Meute dann aufspüren muss.” 

So hat sich über die Jahrzehnte hinweg die Tradition der Schleppjagd entwickelt. Auch wenn in anderen Ländern noch teilweise Jagd auf lebendiges Wild gemacht wird, steht in Deutschland das Naturerlebnis mit Pferd und Hund im Vordergrund. Momentan gibt es 23 Meuten in Deutschland und das Interesse bleibt auch bei Turnierreitern konstant, wie man an Reitmeisterin und Vielseitigkeitsikone Ingrid Klimke, dem prominentesten Mitglied des Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein, erkennen kann. 

England als Vorbild

Neben der Hundewahl bleibt man auch optisch der englischen Tradition treu. Die Stiefel sind frei wählbar, sehr häufig ist der klassische schwarze Stiefel mit cognacfarbener Jagdstulpe zu sehen. Es wird in cremefarbener oder gelber Reithose geritten, eine weiße Turnierreithose ist verpönt. Nur die Herren dürfen den roten Jagdrock tragen, die Frauen sind in Jacketts mit dunklen, gedeckten Farben gekleidet. Komplettiert wird das Jagdoutfit mit einem korrekt gebundenen Plastron mit Nadel und weißen oder cremefarbenen Handschuhen. Ein Helm zu tragen ist während der Jagd Pflicht, eine Sicherheitsweste ist wünschenswert.

Die Pferde müssen nicht unbedingt eingeflochten sein und tragen eine dezente Schabracke sowie Gamaschen. Das Gebiss ist frei wählbar und richtet sich meist nach dem Temperament des Pferdes. Der Volksmund sagt, dass Jagdpferde schon mit Stollen und Martingal geboren werden, und auch Vorderzeug wird oft verwendet. Weder bei den Pferden noch bei den Reitern sieht man Glitzer oder Strass, englisches Understatement ist angesagt. 

Leider scheint auch das Wetter der englischen Tradition folgen zu wollen, denn schwarze Regenwolken ziehen auf. Doch Brigit Wiesehahn-Haas, die Mitgliederbeauftragte des Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdvereins winkt ab: „Keine Sorge, die Wolken ziehen weiter. Es ist ungeschriebenes Gesetz, dass wir auf Haus Schwarzenstein bei der Jagd gutes Wetter haben.” Und siehe da, als um neun Uhr der Feldgottesdienst die Jagdsaison einläutet, ziehen die ersten Sonnenstrahlen über die Wiese. Die ‘hauseigene’ Pfarrerin Christiane Münker-Lütkehans segnet Reiter, Pferde und Hunde. Andächtige Stille legt sich über die Wiese, als um die Vereinsmitglieder getrauert wird, die seit dem letzten Herbst verstorben sind. Die Ralley Trois Fontaines, eine französische Parforcehorngruppe, die jedes Jahr zur Eröffnungsjagd mehrere Tage auf Haus Schwarzenstein gastiert, lässt das Halali ertönen und sorgt für Gänsehaut.

„Bei uns ist man mit 70 Jahren noch lange nicht zu alt für das springende Feld.”

Brigit Wiesehahn-Haas

Die Hunde, die inmitten der Wiese auf die Jagd warten, schauen wie gebannt zu Huntsman Heiko Burchard. Endlich geht es los! Es wird aufgesessen und die Reiter – das sogenannte Feld – ziehen, begleitet von der Meute, großzügige Schrittrunden zum Warmwerden auf dem Halali-Platz. Diese riesige Wiese, in deren Mitte sich feste Vielseitigkeitshindernisse befinden, ist umgeben von Wald und liegt direkt vor Haus Schwarzenstein. Sonst ist es der Trainingsplatz, doch heute Start und Ziel der Schleppjagd. Auf den ersten Blick sieht es eher nach einem gemütlichen Sonntagsausritt aus, für den sich die Reiter etwas zu sehr in Schale geworfen haben. Es wird am langen Zügel nebeneinander Schritt geritten und angeregt unterhalten. Keines der Pferde ist unruhig oder gestresst. 

Im 14. Jahrhundert war Haus Schwarzenstein Rittersitz, heute ist es das Zuhause der Schleppjagdreiter.

Die Mitglieder des Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdvereins, die zu Fuß an der Jagd teilnehmen, versammeln sich am Rand des Halali-Platzes und winken dem Feld zu, als es begleitet von der Meute in den Wald verschwindet. „Das Feld wird immer in zwei Felder unterteilt”, erklärt Brigit Wiesehahn-Haas, die die Eröffnungsjagd dieses Mal vom Boden aus verfolgt. “Ganz vorne reitet immer der Master, begleitet vom Huntsman und seiner Meute. Unterstützt werden sie von den Meuten- und Feldpikören, der sogenannten Equipage. Sie führen das springende Feld an, das über jedes Hindernis springt. Dahinter folgt das nichtspringende Feld, das an den Hindernissen vorbeigaloppiert.” Da bei vielen Reitern, die ganz vorne mitreiten, silbernes Haar unter den Reitkappen hervorblitzt, stellt sich die Frage, ab wann man denn zu alt für feste Hindernisse bis L-Niveau ist. Eine Frage, bei der Brigit Wiesehahn-Haas herzhaft lachen muss. „Ach, bei uns ist man mit 70 Jahren noch lange nicht zu alt für das springende Feld. Und im nichtspringenden Feld war bis vor kurzem eines unserer Mitglieder mit 85 Jahren noch gut unterwegs.” Es scheint, als würden die Schleppjagdreiter aus Hünxe dem Alter mühelos ein Schnippchen schlagen.

Jetzt wird die Schleppe gelegt. Im zügigen Galopp reitet ein Mitglied der Equipage quer über den Halali-Platz. An den Satteltaschen des sogenannten Schleppenlegers befinden sich zwei Behälter, aus denen die Pansenlösung auf den Boden tropft und so die Spur für die Meute legt. Schnell verschwindet er wieder und führt die Schleppe, für die Zuschauer nicht sichtbar, quer durch den Wald.

The cry of hounds

Plötzlich sind alle Parallelen zu dem gemütlichen Sonntagsausritt verflogen. Im Wald ertönt auf einmal aufgeregtes Gebell. Es ist der magische Moment, “the cry of hounds”, bei dem die Meute laut anschlägt und somit zeigt, dass sie die Fährte aufgenommen hat. Es ist der wichtigste Moment der Jagd. Die Foxhounds folgen lauthals dem sogenannten “scent” und zeigen dem Feld den Weg. Das Hundegebell kommt immer näher. Und dann sieht man den ersten Foxhound, den sogenannten Kopfhund, der die Meute anführt. „Der Kopfhund ist immer sehr erfahren und ranghoch. Er ist der schnellste und spursicherste Hund der Meute”, erklärt Huntsman Heiko Burchard. Dicht dahinter kommt der Rest der Meute. Nur zwischendurch müssen die Foxhounds auf dem Boden schnüffeln. Die meiste Zeit rasen sie zielsicher mit wehenden Ohren dem Geruch hinterher. Die letzten Nachzügler brechen durch das Unterholz und hetzen der Meute hinterher. Man hört nun deutlich, wie 47 Pferde den Waldweg entlang galoppieren. Hier und da blitzen rote Jagdröcke durch die Bäume. Ein Raunen geht durch die Zuschauer, die sich am Rand des Halali-Platzes versammelt haben. Da sind sie! Angeführt von Master Christian Coenen biegen die Schleppjagdreiter im gestreckten Galopp auf den Grasplatz ein. Trotz des hohen Tempos geht die Jagd sehr kontrolliert vonstatten. Jeder hat sein Pferd unter Kontrolle und bleibt in der Formation an seinem Platz. Es galoppieren höchstens zwei Reiter nebeneinander, keiner überholt den anderen. Das Hundegebell verklingt in der Ferne, das Schnauben und Hufgeklapper der Pferde tritt in den Vordergrund. Und über allem schwebt der Klang der Bläser der Ralley Trois Fontaines, die die Jagd stimmungsvoll untermalen. 

Huntsman Heiko Burchard hat die Meute im Griff.

Schneller als man gucken kann sind die Reiter wieder im Wald verschwunden und jagen dort der Meute hinterher. Nach einigen Minuten erscheinen sie wieder auf dem Halali-Platz und parieren zum Schritt durch. Die Jagdpferde schnauben zufrieden ab, die Stimmung der Jagdgesellschaft ist ausgelassen. Die Meute läuft hechelnd, dicht an das Pferd des Huntsman gedrängt, mit heraushängenden Zungen vorne weg. „Jetzt bekommen alle erstmal eine kleine Verschnaufpause”, erklärt Brigit Wiesehahn-Haas. „Meistens reiten wir während einer Schleppjagd drei Runden, sogenannte Runs, und dazwischen kurz Schritt, um durchzuatmen. Im ersten Run wird überhaupt nicht gesprungen, aber in der nächsten Runde geht’s richtig los”.

Die Zuschauer und die Bläser der Ralley Trois Fontaines ziehen zum ersten Sprung am Rande der Waldlichtung und warten darauf, dass die neue Schleppe gelegt wird. Kurz nachdem der Schleppenleger den mächtigen Baumstamm überwindet, der quer über dem Waldweg liegt, ertönt wieder lautes Hundegebell. Mit großen Sätzen springt die Meute über den Stamm und verfolgt die neue Spur. Immer näher rückt das springende Feld und überwindet, oft auch nebeneinander, das breite Naturhindernis. Von Unsicherheit keine Spur. Mit gespitzten Ohren ziehen die routinierten Jagdpferde das Hindernis an und setzen mühelos darüber. Die Sanitäter, deren Anwesenheit Pflicht bei einer solchen Veranstaltung ist, haben auch heute wieder nichts tun. „Bei unseren Jagden passieren glücklicherweise nur selten Unfälle”, berichtet Birgit Wiesehahn-Haas. „Abgesehen davon, dass wir das ganze Jahr sehr diszipliniert trainieren, kann man Unfälle schon im Vorfeld vermeiden. Wenn wir zum Beispiel merken, dass eine bestimmt Reiter-Pferd-Kombination nicht stimmt, sagen wir das. Es dient nicht nur zum Schutz des jeweiligen Reiters, sondern des ganzen Feldes. Nur ein einziges aus der Kontrolle geratenes Pferd kann ein ganzes Feld aufmischen – und das wird dann sehr gefährlich.”

Das Jagdpferd par excellence

Bei keinem der 47 Jagdpferde, die an diesem Vormittag dicht an dicht über die Felder und Wiesen rund um Haus Schwarzenstein galoppieren, kann von Kontrollverlust die Rede sein. Egal, ob Vollblüter, Hannoveraner oder Irisches Jagdpferd, ihr Interieur könnte nicht besser sein. Das ist auch dem Master Christian Coenen, der die Schleppjagdreiter schon seit zwölf Jahren auf der Jagd anführt, extrem wichtig: „Ein gutes Jagdpferd muss sozial sehr friedfertig sein, denn man reitet manchmal sehr nah nebeneinander. Natürlich muss es rittig sein und darf nicht pullen.” Da schon Coenens Vater bei dem Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein geritten ist, ist Christian Coenen seit klein auf mit den Regeln und Gebräuchen der Jagdreiterei vertraut. „Vor Beginn der Jagd findet man im Feld seinen Platz und dort bleibt man die ganze Zeit. Das gibt Reiter und Pferd Sicherheit.” Deshalb darf ein Pferd auch nicht überehrgeizig sein und die anderen im Galopp überholen wollen. „Das Pferd darf nicht gewinnen wollen”, erläutert der Master. „Deswegen nehmen wir auch gerne Vielseitigkeitspferde, die nicht den letzten Ehrgeiz haben. Buschpferde sind auf jeden Fall schon mal mit festen Hindernissen vertraut und nicht so schreckhaft.”

“Vor Beginn der Jagd findet man im Feld seinen Platz und dort bleibt man die ganze Zeit. Das gibt Reiter und Pferd Sicherheit.”

Master Christian Coenen

Denn die Anforderungen, die noch zusätzlich an ein Jagdpferd gestellt werden, sind nicht außer Acht zu lassen, erklärt Birgit Wiesehahn-Haas: „Dadurch, dass die Meute regelmäßig mit frischem Pansen gefüttert wird, riechen sie deutlich nach Aas und viel extremer als der gewöhnliche Haushund. Das Pferd muss sich erst an so eine große Meute und deren Geruch gewöhnen.” Und auch während der Jagd ist die Begegnung zwischen einem unerfahrenen Pferd und der Hundemeute nicht ganz ungefährlich. „Es kann durchaus vorkommen, dass sich einige Hunde verirren und von hinten die Reiter überholen. Schreckhafte Pferde kann man in solchen Situationen nicht gebrauchen.” Und dann sind da noch die Bläser, die die Jagd musikalisch untermalen. „Wessen Pferd schon bei dem Radetzky-Marsch auf einer gewöhnlichen Ehrenrunde die Nerven verliert, der muss erst noch etwas üben, bis er hier mitreiten kann.” Einen perfekten Partner für die Jagd zu finden oder auszubilden, ist deshalb extrem schwierig. „Ein gutes Jagdpferd wird auch niemals verkauft, egal was einem dafür geboten wird”, beteuert Wiesehahn-Haas.  „Wir wissen, was wir an unseren Pferden haben!” Und wenn das Jagdpferd langsam in die Jahre kommt und im Herbst nicht mehr jedes Wochenende hinter der Meute herjagen kann? „Dann wird es Zeit, ein Nachwuchspferd anzutrainieren”, liefert die passionierte Jagdreiterin schlagfertig die passende Antwort.

Schnell noch die Kappe auf, dann geht’s los. Master Christian Coenen reitet bei der Schleppjagd vorne weg.

Unterdessen wurde das dritte Run eingeläutet. Dieses Mal geht es im frischen Galopp durch die Felder um Haus Schwarzenstein. Insgesamt hat der der Verein 150 feste Hindernisse verschiedenster Art gebaut, um ihren Reitern eine abwechslungsreiche Jagd zu bieten. Zuschauer und Bläser nehmen Aufstellung am letzten Hindernis, um die Hunde und Reiter zu empfangen. Jetzt wird es noch einmal etwas kniffelig. Auf gebogener Linie muss man zuerst bergab reiten, um dann bergauf über mehrere Baumstämme zu springen. Doch auch dieses Hindernis stellt kein Problem dar. Wie aufgezogen setzen zuerst die Hunde und dann die Pferde über die Stämme. 

Curée für die Meute und ein Bruch für die Reiter

Es ist geschafft! Alle sind wohlbehalten im Innenhof von Haus Schwarzenstein angekommen. Die Reiter loben ausgiebig ihre Pferde und steigen ab. Doch das Spektakel ist noch lange nicht vorbei, denn die Hunde erhalten jetzt ihre Belohnung. Das Curée ist das sogenannte Jagdrecht des Hundes, der nach der Jagd immer einen Teil der Beute abbekommt. In diesem Fall ist es Rinderpansen. Aufgeregt drängen sich die Hunde in der Mitte des Innenhofes zusammen, denn sie wissen was jetzt kommt. Huntsman Heiko Burchard schmeißt einen riesigen Brocken Pansen in kurzer Entfernung auf den Boden. Jetzt warten die knapp 50 Hunde nur noch hechelnd auf sein Kommando. Dass ihnen die Zurückhaltung schwerfällt, ist deutlich zu erkennen. Doch keiner rührt sich von seinem Platz. Da sich jetzt alle Reiter und Zuschauer eingefunden haben, hat der Huntsman Erbarmen und gibt seinen Foxhounds das Zeichen, dass sie den Pansen fressen dürfen. Wie in freier Natur reißen die Hunde große Stücke aus dem Kuhmagen und machen sich gegenseitig lautstark die Leckerbissen streitig. Das hat mit der Fütterung des eigenen Familienhundes wenig zu tun und wirkt auf den ersten Eindruck doch etwas blutrünstig. Da die Hunde sich in diesem Moment so ursprünglich und wild verhalten, steigt der Respekt für die Erziehung des Huntsman und der Equipage enorm. Heiko Burchard ist auch heute wieder sehr zufrieden mit der Meute gewesen. „Die Hunde hören wirklich aufs Wort, auch wenn sie weder ‘Sitz’ noch ‘Platz’ beherrschen. Geschweige denn haben sie schon mal etwas von Agility gehört”, gibt der Huntsman verschmitzt zu. Doch wer einmal eine Foxhound Meute in Aktion erlebt hat, der ahnt, dass Agility nur ein farbloser Zeitvertreib für Hunde sein muss.

„Die Hunde hören wirklich aufs Wort, auch wenn sie weder ‘Sitz’ noch ‘Platz’ beherrschen.”

Huntsman Heiko Burchard

Als die Hunde satt und zufrieden sind, werden nun die Jagdteilnehmer mit dem Bruch geehrt. Ein kleiner Zweig aus Eichellaub wird vom Vorstand des Schleppjagdvereins überreicht, den die Reiter sich an ihr Jackett heften. Als sich alle Mitglieder des Schleppvereins im Innenhof versammelt haben, fällt auf, dass die Jagdreiterei anscheinend nicht nur für ältere Semester interessant ist. „In unserem Verein, der ungefähr 300 Mitglieder hat, sind mindestens 100 davon noch keine 30 Jahre alt”, erklärt Master Christian Coenen stolz. „Jugendarbeit wird bei uns auf Haus Schwarzenstein großgeschrieben und wir freuen uns über jeden Jugendlichen, der seinen Weg über unsere Jugendwoche zu uns findet.” Der Rheinisch-Westfälische Schleppjahrverein veranstaltet in den Herbstferien traditionell eine Ferienwoche für Jugendliche aus den eigenen Reihen, aber auch für Interessierte von außerhalb. Im Mittelpunkt steht hierbei die tägliche Arbeit mit den Hunden und Pferden, wobei die Gruppen je nach reiterlichem Können eingeteilt werden. Höhepunkt und Abschluss der Ferienwoche ist die Jugendjagd, bei der die Teilnehmer ihr Können unter Beweis stellen.

Feste Hindernisse sind für die Schleppjagdreiter kein Problem.

Doch nicht nur die Jugendwoche ist ein fester Bestandteil des Vereinslebens. Lehrgänge, Seminare und Hundeschauen füllen ganzjährig die Terminkalender der Schleppjagdreiter. „Auch außerhalb der Jagdsaison gibt es unter der Woche immer mehrere feste Termine, an denen sich die Vereinsmitglieder auf Haus Schwarzenstein treffen, um mit den Hunden zu arbeiten oder die Pferde zu trainieren”, erklärt Birgit Wiesehahn-Haas. „Da man seiner Meute treu bleibt, reiten wir eigentlich immer hier die Jagden. Natürlich fahren wir auch zwischendurch mit unseren Hunden in andere Gebiete, wie zum Beispiel zum Rodderberg, da hat man eine herrliche Aussicht.” Jedes Wochenende bis Ende Dezember ertönt nun auf Haus Schwarzenstein das Halali. „Und da wir Weihnachten die letzte Jagd reiten, begrüßen uns auf der Eröffnungsjagd immer mit ‚Frohe Weihnachten‘”, erläutert Birgit Wiesehahn-Haas eine der ungewöhnlichen Gepflogenheiten der Jagdreiter.

So antiquiert die Schleppjagd mit ihren Regeln und Bräuchen auf den ersten Blick auch erscheinen mag – wer einmal dieses unvergessliche Ereignis aus nächster Nähe erlebt hat, kann nachvollziehen, dass auch in Zukunft noch Reiter in roten Jagdröcken im gestreckten Galopp hinter einer bellenden Meute herjagen werden. 

Der Rheinisch-Westfälische Schleppjagdverein

Weitere Informationen rund um das Jagdreiten gibt es direkt beim Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein unter www.rwsev.de.

Fotos: PEMAG

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