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Taktfehler verhindern
Taktfehler verhindern

Taktfehler ade!

Der Takt ist einer der großen und wichtigen Säulen in der Ausbildung von Reiter und Pferd, der erste Punkt der Ausbildungsskala, der erste Schritt, Tritt oder Sprung in Richtung Losgelassenheit, das oberste Kriterium für eine gelungene Lektion. Wie so viele grundlegende Begriffe in der Reiterei fällt er im Trainingsalltag dementsprechend häufig. Die wirkliche Bedeutung erkennen die meisten Reiterinnen und Reiter allerdings erst dann, wenn der Takt verloren geht – und Taktfehler entstehen. 

Während in der Theorie kaum ein Reiter die große Bedeutung des kleinen Wörtchens ‚Takt‘ bestreiten würde, sieht die Realität in den Reithallen und auf den Turnierplätzen häufig anders aus: Lektionen statt Grundlagenarbeit stehen dort auf dem Programm. Takt? Darum machen sich die meisten erst dann Gedanken, wenn der gleichmäßige Bewegungsablauf des Pferdes gestört ist. Diese Erfahrung hat auch Claudia Haller oft genug gemacht. Die erfahrene Trainerin, die in ihrer Zeit als aktive Turnierreiterin selbst im internationalen Dressursport erfolgreich war und die deutschen Farben in Nationenpreisen vertrat, hat sich mittlerweile auf die klassische Ausbildung von Nachwuchsreitern und jungen Pferden spezialisiert.  

„Als Takt bezeichnet man das Gleichmaß aller Schritte, Tritte und Sprünge des Pferdes.“ 

FN-Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, Grundausbildung für Reiter und Pferde, S. 233 
 

 „Der Takt steht bei der Ausbildung des Pferdes vollkommen zu Recht an erster Stelle und bildet die Basis für alles weitere“, erläutert die 51-jährige, die bei ihren Reitschülern großen Wert auf eine intensive Grundausbildung legt, da sie insbesondere in diesem Bereich häufig Mängel entdeckt. „Bei der Ausbildung vieler Nachwuchsreiter wird meines Erachtens zu wenig Wert auf die Grundlagenarbeit und zu viel Wert auf das Reiten bestimmter Lektionen gelegt. Dabei ist die Grundlagenarbeit zumindest aus meiner Sicht der eigentliche Schlüssel zum Erfolg, denn nur wenn ein Pferd im Takt und in der Balance läuft, können die Lektionen überhaupt gelingen.“ 

Vorgestellt von Claudia Haller zeigt die Sir Diamond-Tochter Summer Rose OLD einen taktreinen Trittablauf, wie er nur unter einem ausbalancierten Reitersitz möglich ist. Foto: Nilkens

Ähnliches lässt sich auch für die Ausbildung junger Pferde konstatieren. „Wenn wir ein Pferd anlongieren, kommt es uns zuerst auf den Takt an, mehr müssen insbesondere die ganz jungen Pferde erst einmal nicht können. Der Ausdruck kommt später“, erläutert Haller, die bereits über 70 Pferde bis zur schweren Klasse ausgebildet hat. 

 

„Weil das Pferd sich ohne Reiter von Natur aus in allen Grundgangarten taktrein bewegt, ist der Erhalt der Regelmäßigkeit der Gänge unter dem Reiter eine Forderung, die jeder Zeit eingehalten werden muss.“ 

FN-Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, Grundausbildung für Reiter und Pferde, S. 223 

Was Taktfehler angeht, bezieht die Ausbilderin ganz klar Stellung: „Eins kann ich mit meinen 35 Jahren Erfahrung im Reitsport ganz sicher sagen: Kein Pferd, das auf die Welt kommt und gesund ist, macht Taktfehler oder ist zügellahm. Das sind menschengemachte Probleme, wenn Reiter die Signale, die ihnen ihr Pferd sendet, nicht erkennen oder über längere Zeit ignorieren.“ Wie entstehen also Taktunreinheiten, Taktfehler und Zügellahmheit – und vor allem: Wie kann der Reiter oder Pferdebesitzer aktiv dazu beitragen, sie zu verhindern oder zu beheben?  

Wer sich den Ursachen für Taktfehler nähern möchte, kommt um eine wichtige Frage nicht herum: Was genau ist Takt eigentlich? Wie bei so vielen grundlegenden Themen schafft ein Blick in die Richtlinien zur Ausbildung von Reiter und Pferd der Deutschen Reiterlichen Vereinigung Abhilfe. Dort heißt es: „Als Takt bezeichnet man das Gleichmaß aller Schritte, Tritte und Sprünge des Pferdes.“ Als erster Punkt der Ausbildungsskala bildet der Takt die Grundlage für alle weiteren Ausbildungsschritte und bildet gemeinsam mit der Losgelassenheit das oberste Kriterium jeder gelungenen Übung und Lektion.  

Taktfehler im Fokus

Der Takt muss also in jeder der drei Grundgangarten in allen Übergängen und in allen Tempi – Arbeitstempo, Versammlung, Verstärkung – stets erhalten bleiben. Um den Takt eines Pferdes beurteilen zu können, ist es für jeden Reiter unumgänglich, sich intensiv mit dem richtigen Bewegungsablauf der unterschiedlichen Gangarten auseinanderzusetzen.  

„Ein wesentliches Ziel der korrekten Ausbildung des Pferdes sind der Erhalt und die Förderung der natürlichen Bewegung. Deshalb muss auf den Takt, das Gleichmaß der Bewegungen in den drei Grundgangarten, besonderen Wert gelegt werden.“ 

FN-Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, Grundausbildung für Reiter und Pferde, S. 122 

Ein taktreiner Schritt ist eine schreitende Bewegung im Viertakt ohne Schwebephase, bei der die Vorwärtsbewegung in acht Phasen erfolgt, während der Trab im Idealfall eine schwunghafte Bewegung im Zweitakt ist und aus vier aneinandergereihten Tritten besteht. Ein taktreiner Galopp ist ebenfalls eine schwunghafte Bewegung, anders als der Trab allerdings mit Sprüngen statt Tritten und im Dreitakt (s. Abb.).  

Was passiert, wenn der Taktfehler passieren?  

Weicht der Bewegungsablauf des Pferdes von diesem Muster ab, spricht man ganz allgemein von Taktfehlern. Die Bandbreite reicht dabei von diversen Vorstufen über deutlich sichtbare Taktfehler bis hin zur Zügellahmheit, bei der ein Pferd nur bei angenommenem Zügel taktunrein geht oder lahmt, während ohne Zügelverbindung keinerlei Lahmheit festzustellen ist.  

 „Wenn ein Pferd mit Taktfehlern oder auch mit anderen Problemen zu uns kommt, begeben wir uns auf die Suche nach der Ursache. Dabei versuchen wir immer, das Pferd in seiner Gesamtheit zu sehen“, erläutert Claudia Haller ihre Vorgehensweise, die ihrem eigens entwickelten „Competence & Health-Konzept“ entspricht, bei dem neben dem Training auch alle weiteren wichtigen Einflussfaktoren wie Gesundheit, Fütterung, Haltung und Ausrüstung miteinbezogen und im Sinne des Wohlbefindens des Pferdes optimiert werden sollen.  

„Wir tasten das Pferd komplett ab und achten dabei auf mögliche Schmerzempfindlichkeiten. Außerdem schauen wir uns seinen gesundheitlichen Zustand an und lassen es auf weichem und hartem Boden vortraben, sowohl auf gerader als auch auf gebogener Linie und ziehen gegebenenfalls die Meinung eines Tierarztes, eines Hufschmieds oder eines Osteopathen hinzu. Wir überprüfen den Sitz der Ausrüstung, insbesondere des Sattels und des Gebisses. Liegt in keinem dieser Bereiche eine Auffälligkeit vor, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass das Problem beim Reiter liegt.“ 

Stangenarbeit auf dem Zirkel und in der ganzen Bahn bietet dem Pferd nicht nur Abwechslung im Trainingsalltag, sondern eignet sich darüber hinaus auch als Übung zur Verbesserung des Takts.

Denn auch der Reiter kann mit einem unausbalancierten Sitz oder einer falschen Hilfengebung, wie beispielsweise einer zu harten Hand oder zu wenig treibenden Hilfen, Taktfehler des Pferdes provozieren. Wurde das Pferd falsch ausgebildet oder wird es überfordert, sind auch das weitere Ursachen für Taktunreinheiten oder sogar Zügellahmheit. „Ich habe nicht nur zahlreiche Pferde, sondern auch schon viele Reiterinnen und Reiter zum Osteopathen geschickt, da ein in sich schiefer Mensch kaum gleichmäßig auf das Pferd einwirken kann. Bei einem schlechten Sitz des Reiters arbeiten wir außerdem gerne mit Sitzkorrekturen an der Longe und auch mit den Franklin-Bällen. Wir sind außerdem auch in allen Belangen für alternativen Methoden und Herangehensweisen offen, solange sie uns und unsere Pferde beim Training unterstützen, und schauen ganz individuell, was für welches Pferd und für welchen Reiter am besten funktioniert. Diese Einstellung kann ich jedem Reiter, der sich weiterentwickeln möchte, nur wärmstens ans Herz legen!“  

Allgemein empfiehlt Claudia Haller insbesondere schwächeren Reitern, sich bei Problemen mit Taktfehlern aufgrund der falschen Einwirkung des Reiters Hilfe beim Profi zu suchen. „So wie man den eigenen Sitz korrigieren muss, sollte auch das Pferd mit der fachlichen Kompetenz wieder dahin geführt werden, sich unter dem Sattel taktrein bewegen zu können. Als schwächerer Reiter ist das ohne fachmännischen Rat nur sehr schwer zu bewerkstelligen. Hier sollte in jedem Fall die Unterstützung eines erfahrenen Reitlehrers gesucht werden.“ 

„Nachhaltige Taktstörungen sind in der Regel eine Folge falschen Reitens und haben somit immer einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden des Pferdes […]. Aus diesen Gründen muss die Beachtung des Taktes von der Ausbildung des jungen Pferdes bis zur Schulung des Pferdes bis zur Schulung des Pferdes in den Spitzensport […] immer Priorität haben.“ 

FN-Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, Grundausbildung für Reiter und Pferde, S. 236 

Hat man die Ursache für die Taktstörungen gefunden und behoben oder möchte man allgemein mit seinem Pferd an einem sauberen Takt arbeiten, gibt es außerdem einige empfehlenswerte Übungen zur Verbesserung des Taktes: „Stangen- und Cavalettiarbeit sind nicht nur eine tolle Abwechslung im Training, sondern eignen sich darüber hinaus auch super dazu, an den Taktfehlern zu arbeiten“, erläutert Haller weiter. „Gleiches gilt für das Reiten in unebenem Gelände. Tempo-Unterschiede innerhalb der Gangarten und Übergänge wie auch das Schenkelweichen auf dem Zirkel und in der ganzen Bahn können ebenfalls förderlich sein. Da bei vielen Paaren Taktfehler vermehrt im Trab auftreten, lösen wir solche Pferde gerne frühzeitig im Galopp und widmen uns erst danach der Trabarbeit. Das wirkt bei vielen Pferden wahre Wunder!“ 

Jeder Reiter sollte den körperlichen Zustand seines Pferdes stets aufmerksam überprüfen, da insbesondere gesundheitliche Beschwerden eine Ursache für Taktfehler sein können. Fotos: PEMAG

Und auch als Reiter kann man einige Übungen absolvieren, um sein Pferd durch einen möglichst ausbalancierten und geschmeidigen Sitz bei der taktreinen Bewegung zu unterstützen. „Jeder Sportler wärmt sich auf, bevor er mit dem Training beginnt. Diesen Grundsatz sollten auch Reiter berücksichtigen und sich vor dem Aufsteigen dehnen und aufwärmen. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, insbesondere bei den kalten Temperaturen im Winter vor dem Reiten mit meinen Pferden zu joggen, um warm zu werden“, berichtet Haller schmunzelnd. „Auch wenn der Reitsport natürlich zeitintensiv ist, empfehle ich jedem, zusätzlich Ausgleichssport zu treiben, um auf dem Pferd die nötige Körperspannung, Geschmeidigkeit und Ausdauer zu haben, um sein Pferd nicht im Bewegungsablauf zu stören und wirklich durch den gesamten Körper mitschwingen zu können.“ 

Verantwortung und Taktgefühl 

Der Reiter hat es also sowohl im wahrsten als auch im übertragenen Sinne des Wortes selbst in der Hand, dass sein Pferd taktrein läuft. „Eins sollte sich jeder Reiter bewusst machen,“ bringt Claudia Haller ihre Ansichten zum Thema Taktunreinheiten ganz deutlich auf den Punkt. „Pferde sind immer nur das Spiegelbild des Reiters und daher sollte jeder Reiter das Problem zunächst bei sich selbst suchen. Denn ihm allein obliegt die Verantwortung, für die Gesundheit und das ganzheitliche Wohlbefinden des ihm anvertrauten Pferdes zu sorgen! Daher empfehle ich jedem: Schaut Euch Eure Pferde ganz genau an, seid aufmerksam und macht eine klare Bestandsaufnahme. Ist mein Pferd gesund? Wird es richtig und sorgfältig ausgebildet und seinem Ausbildungsstand entsprechend trainiert? Bekommt es genug Auslauf, genug Sozialkontakte mit anderen Pferden und das richtige Futter? Sitzt die Ausrüstung richtig? Wirke ich mit meinen Hilfen richtig ein? Ist mein Pferd zufrieden und arbeitet gerne mit mir? Ist das alles wirklich gegeben, werden einem Probleme wie Taktfehler oder Zügellahmheit keinerlei Sorgen bereiten.“  

Julia Deipenwisch 

Weitere Artikel zur Ausbildung: Ausbildung Archive – Rheinlands Reiter+Pferde (reiter-pferde.de)

RRP-Expertin Claudia Haller 

Als erfolgreiche Dressurreiterin und -ausbilderin kann Claudia Haller nicht nur auf eine beachtliche Karriere im Sattel zurückblicken, sondern hat mit ihrer Expertise mittlerweile auch zahlreiche junge Pferde und Nachwuchsreiter trainiert und auf ihrem Weg zu nationalen und internationalen Erfolgen unterstützt. 

Claudia Haller war über lange Zeit auf den internationalen Turnierplätzen erfolgreich: Angefangen von mehreren rheinischen Meisterschaftstiteln über ihren ersten Grand Prix-Sieg mit gerade einmal 18 Jahren und dem Titel der Deutschen Vizemeisterin bei den Jungen Reitern 1989 stieg sie selbst bereits in jungen Jahren in den großen Sport ein. Zahlreiche S-Dressur-Siege und -Platzierungen und Erfolge auf Grand Prix-Niveau folgten und führten Claudia Haller schließlich gemeinsam mit ihrem Erfolgspferd King zum Sieg in der Weltcup-Qualifikationsprüfung im Jahr 1991 und zur erfolgreichen Teilnahme an Nationenpreisen.  

Heute hat sie sich mit ihrer langjährigen Erfahrung und großer Passion auf ihrer Reitanlage in Meerbusch der Jugendförderung und Ausbildung junger Pferde verschrieben und dafür ein ganzheitliches Trainings- und Ausbildungskonzept entwickelt. Sowohl für diesen Trainingsansatz als auch für ihr Engagement zur Förderung des Dressursports wurde Claudia Haller vom Pferdesportverband Rheinland mit der St. Georg-Plakette ausgezeichnet. 

Die Reitsportanlage Gut Müllershof 

In ihrem Ausbildungsstall Gut Müllershof in Meerbusch führt Claudia Haller bereits seit etwas mehr als elf Jahren vielversprechende Jungpferde und talentierte Nachwuchsreiterinnen und -reiter mit ihrem ganzheitlichen und auf Individualität bedachten Trainingsansatz, dem „Competence & Health-Konzept“, an die Anforderungen des großen Sports heran und das sowohl vom Fohlenalter und ersten Reitversuchen bis hin zu Europa- und Weltmeisterschaften. 

Doch auch abseits des Turniersports begleitet Claudia Haller ambitionierte Dressurreiter, engagierte Freizeitreiter, Quer- und Wiedereinsteiger und Angstreiter bei ihrem alltäglichen Training. Unabhängig von den Turnierambitionen der Reiter stellt Claudia Haller bei ihrem ganzheitlichen Ansatz das Wohl des Pferdes in den Mittelpunkt, indem neben dem individuellen und zielgruppengerechten Training auch Aspekte wie medizinische Betreuung von Reiter und Pferd, Fütterung, Haltung, Ausrüstung und mentales Coaching als wichtige Faktoren miteinbezogen und individuell optimiert werden. Hierzu pflegt sie einen ausführlichen Austausch mit unterschiedlichen Spezialisten der jeweiligen Bereiche, seien es Tierärzte, Hufschmiede, Osteopathen, Pfleger, Mental-Coachs oder Experten für alternative Trainings- und Behandlungsmethoden. 

Unterstützt wird die 51-jährige aus Kaarst dabei von ihrem Team und von ihrer Tochter Juliette Piotrowski, die sich im internationalen Dressursport dank mehrerer Europameisterschaftstitel und Erfolge in Nationenpreisen in den letzten Jahren einen Namen machen konnte.  

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